Sonntag, 24. April 2011

Cuzco / PER - Cachora / PER - Choquequirao / PER

wir wollten es wissen
jetzt wissen wir es
so genau wollten wir es gar nicht wissen
denn eines wissen wir sicher:
nie mehr wieder
                      (HERWIG, APRIL 2011)



EINE REISE VON 1000 MEILEN BEGINNT MIT EINEM EINZIGEN SCHRITT
                                                                                                (Lao Tse, 4.Jhdt.v.Chr.)


...Tausend Meilen waren es zwar nicht, aber...
von Anfang an:

Der "Zooausflug" am Titikakasee mit einer Tourveranstalter hat uns eines schwoeren lassen: die naechsten Trips organisieren wir uns wieder selber! Naechstes anstehendes Highlight sind die Inkaruinen von Choquequirao. Die Anlage soll ca. 4x so gross wie Machupicchu, bis dato aber erst zu 30 % von der Vegetation befreit sein. Der Trail dorthin fuehrt durch die Schlucht des Apurimac Flusses und ist nur muehsam zu Fuss oder mit dem Muli begehbar. Eine mind.4 taegige Wanderung, um die gut erhaltene Ruinenstadt zubesichtigen. Unterwegs gibt es weder Restaurants noch Unterkuenfte, nur ein paar Campingmoeglichkeiten. Der daraus resultierende Vorteil: Du kannst sicher sein, dass dir dort keine Reisegruppen auf die Zehen steigen. Genau das Richtige fuer uns!


Aussicht vom Zimmer in Cachora. Der Weg geht nach links in die Schlucht runter.

Noch in Cusco leihen wir uns ein Zelt, Unterlegmatten und einen kleinen Campingkocher aus,versorgen uns mit Proviant fuer die naechsten 5 Tage und packen unseren Rucksack. Ganz so einfach war es nicht, von Cusco nach Cachora, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung, zu kommen, am Wahlsonntag, der Praesidentschaftswahl! Wir sind noch gar nicht aus dem Taxi ausgestiegen, bietet uns schon ein selbst ernannter "Tourismusbeauftragter" durchs Autofenster seine Dienste an. Alberto werden wir dann auch gar nicht mehr so einfach los, er schleppt uns ,ohne auf unsere Wuensche Ruecksicht zu nehmen, von einem "Hostal" ins naechste. Die Frage nach einem "baño privado" (einem Zimmer mit eigenem Bad) wird mit einem Fingerzeig auf einen Nachttopf (!! ohne Schmaeh!!!) bejaht. Als wir die 4. Unterkunft mit Nachtscherben unterm Bett begutachten, aendern wir das Prozedere. Herwig verhandelt mit Alberto ueber die Mulis und ich mache das Zimmer klar. Nach einer 1/2 Stunde komme ich erfolgreich mit einer Reservation des wohl einzig akzeptablen Zimmers in Cachora zurueck (man stolpert zwar ueber morsche Bodenbretter, der Schimmel im Bad beschraenkt sich nicht nur auf die Decke und die Kellerasseln haben ihre Freude in dieser verstaubten Bude, aber immerhin gibt es sauber Bettlaken und zumindest ab und zu lauwarmes Wasser).


Unsere Geheimwaffe: Tornado

Herwig hat inzwischen schon ein Muli samt Treiber fuer den naechsten Tag gemietet und so bleibt uns sogar noch Zeit fuer einen Bummel durch dieses Doerfchen, das aus dem letzten Jahrhundert zu kommen scheint. Alle Haeuser bestehen aus Adobeziegeln und sehen erbaermlich aus. Falls Putz aufgetragen wurde, so broeckelt er schon wieder ab, Holzboeden scheinen hier Luxus zu sein. Selbst die Kirche fuegt sich passend ins Bild. Auf der Suche nach Trinkwasser betreten wir die finsteren Kramerlaeden kaum ,bereits an der Tuer schlagt uns modriger Gestank entgegen. Wir drehen wieder um und bestellen von der Tuerschwelle aus. Die angebotenen Waren sind in einfachen Regalen und am Lehmboden aufgestapelt und alle, ausnahmslos, voll Fliegendreck. Gut das wir alles in Cuzco gekauft haben.

Endlich ist es soweit! Frueh morgens lernen wir Tornado, unseren Muli, und Eduardo, Eseltreiber, der angeblich vieles ueber Choquequirao weis, kennen. Die Beiden werden uns die naechsten 5 Tage begleiten.
Tornado (das wohl wichtigste Glied unserer Gruppe) wird aufgepackt und los gehts!

Die ersten 11 km sind wunderbares einlaufen fuer uns. Der Pfad fuehrt durch herrliche Vegetation und Eukalyptuswaelder, immer wieder einen Blick auf faszinierende Taeler und die schneebedeckten Berge freigebend, vorbei an steilen Abhaengen und ueber kleine Rinnsale, nur selten behindert Geroell vom letzten Steinschlag unser Vorankommen. Ausser uns weit und breit keine Touristen, nur ab und zu begegnen wir Archaeologen und Arbeitern von der Ausgrabungsstaette Choquequirao, sie waren dieses Wochenende zu den Praesidentschaftswahlen in ihren Doerfern (wer nicht waehlt zahlt Strafe!)  und wandern nun wieder zurueck zu ihrer Arbeitsstaette.

Noch am Vormittag erreichen wir den ersten "Mirador", Aussichtspunkt. Ein gigantischer Blick auf das Tal vor uns tut sich auf. Hier begegnen wir Polizisten, die waehrend der Abwesenheit der Arbeiter Choquequirao bewacht haben. Sie sind voellig ausser Atem und erschoepft. Trotzdem werden Hoeflichkeiten ausgetauscht und nach dem woher gefragt. Zu guter letzt zeigen sie uns noch Choquequirao. Man kann es jetzt schon sehen! In weiter Ferne, ganz oben auf der anderen Seite der tiefen Schlucht.
Wir verabschieden uns und machen uns an den Abstieg. Eine Kehre nach der anderen. Der Pfad wird schmaeler, besteht aus Schutt, Steinen und Sand, fuehrt uns ueber unregelmaessige Geroelltreppen immer tiefer ins Tal. Die faszinierende Natur um uns laesst uns immer wieder innehalten und staunen. Tornado ist laengst samt Gepaeck und Fuehrer voraus. Wir finden immer wieder klares Gebirgswasser am Weg (wer hat uns blos die Wasserreinigungstabletten verkauft? Schaun wir aus wie amerikanische Touristen?)
Noch sind wir (und unsere Beine) locker drauf, es draengt sich nur immer dringlicher der Gedanke auf, dass wir das alles auch wieder zurueck, HINAUF! muessen!

Weitere 10 km und 1500 Hoehenmeter tiefer, kommen wir am Nachmittag im Tal am Fluss Apurimac bei unsrem 1. Camp an. Tornado steht schon bis ueber die Ohren im Gestruep und schlaegt sich verdient den Bauch voll. Da meldet sich auch bei uns der Hunger! Nach dem Zeltaufbau und kochen machen wir uns noch einen romantischen Abend mit Coca-Tee und Sternderlschauen in diesem Paradies.
Mit dem ersten Licht kriechen wir aus unserem Zelt. Ein kleines Fruehstueck muss reichen, Zeltplatz zusammenraeumen, Muli aufpacken und weiter gehts. Nach der Flussueberquerung gehts nun nur noch bergauf. 7 km. 1500 Hoehenmeter.
Nur soviel: der steinige Weg ist steil, sehr steil. Jeder von uns stoesst auf dieser Strecke einmal an seine Grenzen. Nach 2h Aufstieg goennen wir uns eine kurze Pause. Mate de Coca, das gibt wieder etwas Kraft. Und so schleppen wir uns weiter. Kehre fuer Kehre, die Luft wird immer duenner, wir sind fast wieder auf 3000 m. Mit jedem Schritt kommen wir dem Ziel naeher! Und noch eine Kehre und noch eine! Wir versuchen uns mit der Natur von den Strapazen abzulenken. Blueten, purpur, azurblau, fliederfarben, orange bis sonnengelb, kleinste Sternchen und Riesenkelche, dazwischen Kolibris die aus ihnen trinken, 1000de von Schmetterlingen tanzen um uns. Insekten, Kaefer, Spinnen,Wuermer, eine Schlange kreuzt unseren Weg.
Alles lenkt irgendwie wunderbar ab und irgendwann sind wir oben! Fast. Das Mittagessen haben wir bei diesem Hunger schnell gekocht und frisch gestaerkt gehen wir die letzten 3 km ohne grosse Hoehenanstiege an.
Vor uns liegt jetzt zum Greifen Nahe die Anlage Choquequirao. Wunderbare Terassen in den steilen Abhaengen, fuer unser Auge von den Faengen der Vegetation befreit, darueber thront die unzerstoerte Inkastadt. Erschoepft und gluecklich lassen wir uns ins Gras fallen. Die letzten Nebelschwaden, die die Ruinenstadt eben noch mystisch erscheinen lassen, verschwinden und machen dem klarsten azurblauen Himmel Platz. Die Nachmittagssonne bestrahlt die Steinmauern (...wenn das wirklich alles mal vergoldet war..?)

Mit diesem Bild im Kopf und der Vorfreude auf morgen ueberstehen wir die eiskalte Nacht.
Das Aufstehen und Fruehstueckmachen faellt trotzdem schwer. Wieviele Muskeln hat ein Bein? Wir spueren jeden einzelnen. Ausserdem macht Herwigs Knie Probleme. Tapfer kaempft er sich auf die unteren landwirtschaftlichen Terassen. Jetzt schon kommen 100 Fragen auf. Wir versuchen das geniale Bewaesserungssystem zu verfolgen. Treppauf, treppab, und dann der Aufstieg zum eigentlichen Zentrum der Stadt. Wir sind nicht mehr zu halten, von einem Gebaeude zum naechsten, einem Raum zum naechsten und eine Nische folgt der anderen in diesem Steinirrgarten. Unsere Vermutung, dass Eduardo 0 Ahnung (wirklich 0 !) von Geschichte oder auch nur den Inkas hat, bestaetigt sich hier leider. Wir sind sauer, richtig sauer! Da quaelt man sich 2 Tage hierher, dann ist man endlich an diesem fantastischen Ort, hat 1000 Fragen und erhaelt absolut unsinnige Antworten.
Fazit: Wer das Muli kennt, sich manchmal Fuehrer nennt, man sicher besser von ihm trennt und alleine rumrennt!
So, jetzt nur nicht die Laune verderben lassen, Eduardo schicken wir fussballspielen oder zu Tornado oder sonstwohin . Und dann...versuchen wir selbst Antworten auf unsere Fragen zu finden, fuehlen die Steine, die Mauern, die Plaetze.  Ueberwaeltigend! Ich lehne an einer Wand, hoehre nur das Summen von Insekten, Grillen zirpen, der Wind streicht ueber uns, ich hebe den Kopf, ein Condor, knapp ueber uns!  Es ist alles so unwirklich.
Rund um uns die Natur, schwindelerregende Schluchten unter uns , der reissende Rio Apurimac zieht sich nur noch wie eine duenne Schlange tief unten durchs Tal. Die Berge um uns wie mit gruenem Samtstoff bezogen, in der Ferne blenden weisse Bergspitzen. Ein wahrlich magischer Ort, man spuert die Energie.

Am Nachmittag steige ich die Westflanke hinunter.Hier sollten Terassen, verziert mit Lamas aus weissem Quarzstein zu finden sein. Sie wurden erst 2009 entdeckt und ausgegraben. Steile Terassen habe ich schon von oben gesehen, aber keine Lamas.Ich finde den schmalen Pfad, der sich am Rand der Terassen hinunterschlaengelt und bewundere die mit Moosen, Farnen und Flechten bewachsenen Baeume , die mir ab und zu etwas Schatten spenden. Immer wieder entdecke ich neue Farben und Formen von Orchideen, aber noch immer keine Lamas in den Terassen. Also weiter, naechste Terasse, wieder keine Lamas! Naechste und naechste und naechste. Das muss ich alles wieder hinauf! Wurscht, jetzt bin ich soweit gelaufen, dass schaff ich auch noch und wenn ich bis Sonnenuntergang brauche! Und dann sind sie ploetzlich da. Ich quere den Hang und klettere auf eine windige Aussichtsplattform. Ein Schwindelgefuehl packt mich. Ist es die Hoehenangst oder dieser Anblick?Ich bin voellig alleine hier, der ganze Hang, nur fuer mich!
Der Aufstieg ist trotz der stechenden Sonne halb so wild, ich bin voellig berauscht.
Den Rest des Nachmittags laufen wir noch zwischen den Mauern der Stadt, spueren die Kraft an den Zeremonialplaetzen, bewundern zweigeschossige Bauten und gehen erst mit Sonnenuntergang zum Camp zurueck.
Ein ganzer Tag Choquequirao, WOW! und: diesen Platz haben wir an diesem Tag mit nur insgesamt 8 (!!) Gleichgesinnten geteilt. (wieviel Menschen besuchen taeglich Machupicchu? 1000? mehr?)

Der Rueckweg am darauffolgenden Tag war zwar muehsam, erst 11km bergab und beim Aufstieg auf der anderen Seite erwischt uns die Mittagshitze voll.Trotzdem schaffen wir es bis zum letzten Camp vor dem Mirador ganz oben.  Somit haben wir am letzten Tag nur noch 2 Stunden bergauf und erledigen die insgesamt 15 km noch im Fruehnebel bis 10 Uhr Vormittags. Von unzaehligen Mosquitos zerstochen (der Mueckenschutz hat nicht gehalten was versprochen) und mit Blasen an Fuessen und Haenden laufen wir ohne der schwarz/weissen Flagge ueber die Start/Ziellinie bei km Null in Cachora. Geschafft!







Fuer uns war dieseTour etwas ganz Besonderes, Unvergessliches und wir sind auch stolz, es selbst geschafft zu haben (ohne Emergencypferd, wie es die meisten Touranbieter mitfuehren)!
Fazit: wir kommen wieder! Sobald die Fa. Doppelmayr eine 4er Gondelbahn nach Choquequirao gebaut hat.

Liebe Gruesse
Die Treking Alchis



1 Kommentar:

  1. Do relativieren sich der Saustall in Sebastians Zimmer und die letzte anstrengende Skitour glei wieder!!!!! Lg Julia

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